Die Auto- matisierer

Wer den fahrerlosen Güterverkehr konsequent zu Ende denkt, der muss auch die Automatisierung des An- und Abkuppelns von Zugmaschine und Auflieger mit einbeziehen. Ein internationales Team von SAF-HOLLAND-Ingenieuren aus Deutschland, den USA und China hat ein System entwickelt, das automatisches Kuppeln ermöglicht. Ein erster Prototyp wurde auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 in Hannover bereits vorgestellt. Jetzt soll das Kupplungssystem zur Serienreife weiterentwickelt werden.

Es sind noch viele Fragen zu beantworten, bis die ersten fahrerlosen Sattelzüge über unsere Straßen rollen können. Wie etwa gehen die autonomen Systeme mit komplexen innerstädtischen Verkehrssituationen um, wie mit dem Mischverkehr aus vernetzten und konventionellen Verkehrsteilnehmern? Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind für einen fahrerlosen Warentransport auf der Straße noch nicht hinreichend geklärt. Ein Aspekt wird in der öffentlichen Diskussion jedoch meist vergessen: Wenn kein Fahrer mehr an Bord ist, wie soll die Zugmaschine dann einen Auflieger wechseln?

„Wer autonomes Fahren von Nutzfahrzeugen konsequent zu Ende denkt, der schließt die Automatisierung des An- und Abkuppelns mit ein.“

Teamarbeit: Sebastian Köster, Alan Feltham und Randy Kübler (v.l.n.r.) ­automatisieren den Kupplungsvorgang

Alan Feltham, Director R&D Fifth Wheel, Kingpin & Coupler EMEA

Das An- und Abkuppeln von Zugmaschine und Auflieger wird bislang manuell verrichtet – dabei ist das An- und Abkuppeln von Zugmaschine und Auflieger ein alltäglicher Vorgang im Logistikbetrieb. „Wer autonomes Fahren von Nutzfahrzeugen konsequent zu Ende denkt, der schließt dabei auch die ­Automatisierung des An- und Abkuppelns mit ein“, betont Alan Feltham, der bei SAF-HOLLAND die Entwicklung von Kupplungssystemen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (dem EMEA-Raum) verantwortet. Aus diesem Grund hat ein weltweites Team von SAF-HOLLAND-Ingenieuren im ­April 2017 das Projekt „Automatisches Kupplungssystem“ gestartet und auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 einen ersten Prototypen des Systems vorgestellt.

Das Ankuppeln eines Aufliegers an die Zugmaschine ist bis heute ein manueller Vorgang, für den ein geübter Fahrer etwa fünf Minuten benötigt und der darüber hinaus einige Fehlerquellen birgt. Zunächst setzt der Fahrer die Zugmaschine mit geöffneter Sattelkupplung zurück, bis die Kupplung unter dem Auflieger ein kleines Stück vor dem Königszapfen steht. Dann hebt er mithilfe der Luftfedern die Hinterachse der Zugmaschine an, damit die Kupplungsplatte direkt an der Aufliegerplatte des Trailers anliegt. Die Sattelkupplung muss unmittel­baren Kontakt zur Aufliegerplatte haben, andernfalls besteht die Gefahr des sogenannten „hohen Kuppelns“, bei dem der Königszapfen nicht in den Verschluss der Sattelkupplung einfährt und verriegelt, sondern auf der Kupplungsplatte oder auf dem Verschluss steht. Eine weitere Fehlerquelle ist der manuelle Anschluss der elektrischen und pneumatischen Versorgungsleitungen. Dazu steigt der Fahrer in den Zwischenraum zwischen Fahrerhaus und Auflieger und steckt die ­Verbindungen von Hand. Kritisch sind insbesondere die EBS- und pneumatische Steuerleitungen für das Bremssystem des Aufliegers. Ein Fehler kann zum Ausfall von Bremsfunk­tionen führen.

Bereit zum Kuppeln

Um automatisch Auf- und Absatteln zu können, muss die Sattelkupplung aus dem Fahrerhaus überwacht und betätigt werden können. Dazu ­arbeiten die Entwickler an mehreren ­pneumatischen und elek­trischen Lösungen. Induktive Näherungs­sen­soren überwachen dann den Abstand zwischen Sattelkupplung und Auflieger­platte und überprüfen die mechanische Verbindung von Königszapfen und Sattelkupplung.

IAA-Prototyp wird zur Serienreife weiterentwickelt

„Bei der Automatisierung des Kuppelvorgangs haben wir bisherige Lösungsansätze analysiert, dann aber einen neuen Weg eingeschlagen“, erläutert Sebastian Köster, der das Projekt „Automatisches Kupplungssystem“ bei SAF-HOLLAND leitet. „Für das selbsttätige Öffnen der Sattelkupplung untersuchen wir verschiedene Lösungen mit pneumatischen und elektrischen Antrieben.“ Um den Abstand zwischen Sattelkupplung und Aufliegerplatte sowie die mechanische Verbindung von ­Königszapfen und Sattelkupplung zu überwachen, greifen die Ingenieure auf induktive Näherungssensoren zurück. Großes Augenmerk legen sie auf den Anschluss der Versorgungsleitungen: Um den Königszapfen des Aufliegers ist ein Drehteller ­angebracht, an dem ein Ausleger mit einem Steckelement befestigt ist. Wenn sich nun die Sattelkupplung mit einem Steckverbinder dem Königszapfen nähert, richtet sich der Drehteller automatisch an der Sattelkupplung aus und die Stecker verbinden sich formschlüssig. Dadurch können Zugmaschine und Auflieger auch angewinkelt zueinander angekuppelt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das elektrische Ein- und Ausfahren der Stützwinden, die den Auflieger abstützen, wenn er abgestellt wurde. In einem ersten Schritt hat das Projektteam dies mit einem Elektroantrieb realisiert, der direkt vom Fahrerhaus aus bedienbar ist. „Für das hochautomatisierte Kuppeln kann diese Funktion zukünftig auch über die Steuerung der Zugmaschine voll automatisch ablaufen“, beschreibt Köster.

Der auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 gezeigte Prototyp wird nun zur Serienreife weiterentwickelt, wobei vor allem die Zuverlässigkeit und Robustheit gegenüber mechanischen Belastungen im Vordergrund stehen. „Außerdem muss das System unter den jeweils herrschenden Umgebungsbedingungen wie etwa hohen oder niedrigen Temperaturen, Feuchtigkeit und Verschmutzung sicher funktionieren“, ergänzt Köster. Mit seinem weltweit aufgestellten Projektteam sind dafür beste Voraussetzungen geschaffen: Neben den deutschen SAF-HOLLAND Standorten Singen und Bessenbach sind am Projekt auch die Kollegen an den US-Standorten Muskegon und Holland (Michigan) beteiligt. Dort bringt außerdem ein Kollege das Know-how des chinesischen Standorts Xiamen ein, wo Teile der automatisierten Stützwinde entwickelt und gefertigt wurden. Mit dieser internationalen Zusammenarbeit können die unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen Weltmärkten bestmöglich berücksichtigt werden.